Einfach ankommen?!

In unser neuen Mitgliederausstellung , die im Rahmen der Interkulturellen Tage Dresden stattfindet, möchten wir Migrationsgeschichten eine Stimme geben. Und stellen fest:  Zwischen Flucht, Reise und innerer Ankunft liegen oft Welten. 

Eine junge Frau hat ihren Kopf über ihren Rucksack gelegt. Ist sie nur erschöpft von der Reise oder verbirgt sie auch Trauer und Verzweiflung, die Heimat verlassen zu haben? Die Bulgarin Maria Chepisheva verdichtet in ihren Zeichnungen das transitorische Moment des Reisens. Immer scheint ein Gefühl der Ungewissheit über den Ausgang der Reise mitzuschwingen. Denn wie es sich am Zielort entwickelt, ist vollkommen offen.

Einfach ankommen jedenfalls, sieht anders aus. Als Juan Miguel Restrepo Valdes vor etwa acht Jahren nach Dresden kam, so erzählt er, da ging es ihm, zumindest in der ersten Zeit, richtig schlecht. In einem Selbstporträt aus der Zeit zeigt er sich vollkommen eingeschnürt, hängend, die Farben gedeckt. Ein weiteres Selbstporträt, das jetzt in der Ausstellung im Künstlerbund unmittelbar daneben platziert ist, zeigt ihn dagegen aufrecht sitzend vor leuchtend rotem Grund – mit einer Protea in der Hand (Titelbild).

Die Blume ist ein Symbol für Hoffnung, für Vielfalt und Veränderung. Und tatsächlich gelingt Restrepo, der in Kolumbien zunächst Architektur, in Marburg dann Kunstgeschichte und Bildende Kunst studiert hat, mit diesem Porträt ein vielschichtiges Abbild seiner selbst. Basierend auf zwei Selbstporträts von Otto Dix, den er in Dresden für sich entdeckte, künden die altmeisterliche Manier wie auch die Bildkomposition von seiner Begeisterung am Zitat historischer Vorbilder genauso wie von einem geübten Umgang mit Zeichensprache.

Migration aus kindlicher Perspektive

Wie Bilder zu Zeichen werden, die von Migration aus kindlicher Perspektive erzählen, darin ist die Illustratorin Annette von Bodecker-Büttner meisterhaft geübt. Seit über zehn Jahren arbeitet sie mit der deutsch-libanesischen Autorin Andrea Karimé zusammen und hat unlängst auch deren Kinderbuch „Mondkaninchen“ bebildert. Darin macht Zaki seinen beiden jüngeren Schwestern Layal und Sara Mut, indem er ihnen von einem Tier erzählt, das eine Flucht hinter sich hat.

Gemeinsam mit Elena Pagel, die aus Sibirien stammt, hat von Bodecker-Büttner bereits 2017 in einem Projekt gearbeitet, das geflüchteten Frauen eine Stimme gibt (Bild: Still aus „Kurz vor dem Sonnenaufgang“) und Kunst als Mittel nutzt, Emotionen und Erlebtes zu verarbeiten. Das Buch “Stimmen. 47 Geschichten Dresdener Frauen aus aller Welt“ ist dieses Jahr erschienen und während der Ausstellung ebenfalls in der Bibliothek einsehbar.

Letztere, die Bibliothek, wird außerdem für Lesung und Ausstellung genutzt.

Sabine Heinrich, KBD-Mitglied und Vorsitzende des Vereins Buchkinder e.V., arbeitete zuletzt mit Kindern von arabischen Geflüchteten und Kindern aus dem Stadtteil Prohlis gemeinsam im KIEZ – Kultur im Einkaufszentrum. Eine riesige Wandcollage bringen sie und die Kinder neben kleineren Arbeiten mit.

Flucht und Ankommen im Alltag

Berührende Gespräche mit geflüchteten Erwachsenen aus unterschiedlichen Ländern sind außerdem ein weiterer Gegenstand der Arbeit von Elena Pagel. Ein Dokumentarfilm von 2017 sowie ein Ausschnitt ihrer Sammlung von Lebensgeschichten ukrainischer Frauen, die seit dem 24. Februar 2022 ihre Heimat verlassen haben, sind während der Dauer der Ausstellung zu sehen. Dass die Flucht, nicht nur im Boot über das Meer, wie Carsten Gille sie in seinem Ölbild schildert, viele dunkle Momente mit sich bringt, das klingt in den Interviews mehrfach an. Durch das Beobachten alltäglicher Situationen hinterfragt Michaela Egdmann in ihren Farbkreidezeichnungen das Gelingen von Integration.

Ricardo Pacheco, der seit 2015 Mitglied im Künstlerbund und aus Portugal nach Dresden gezogen ist, hielt seine Arbeiten erst zu abstrakt für die Thematik der Schau. Doch wer genau hinschaut, erkennt als verbindendes Motiv, den Traum Wurzeln zu schlagen. Einfach anzukommen.

Die Ausstellung „Einfach ankommen?! Migrationsgeschichten eine Stimme geben“ vereint acht unterschiedliche Positionen von Mitgliedern des Künstlerbund Dresden e.V. unterschiedlichster geographischer, kultureller und künstlerischer Herkunft.

„Einfach ankommen?! Migrationsgeschichten eine Stimme geben“

Eröffnung: 15.09.2022 | 18 Uhr
Ausstellungsdauer:  15.09. – 11.10.2022
Öffnungszeiten: Di und Do, 9.30 – 17 Uhr
Ort: Künstlerbund Dresden e.V., Hauptstraße 34 (Eingang Ritterstraße), 01099 Dresden

Come-together: 24.09.2022 | ab 15 Uhr; mit Lesung: Annette von Bodecker-Büttner und Druckwerkstatt: Sabine Heinrich, Buchkinder e.V.

Mit Arbeiten von: Annette von Bodecker-Büttner | Maria Chepisheva |Michaela Egdmann | Carsten Gille| Sabine Heinrich und Kinder aus Projekten des Vereins Buchkinder e.V. | Ricardo Pacheco| Elena Pagel | Juan Miguel Restrepo Valdes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert